Im menschlichen Darm tummeln sich über 100 Billionen Mikroorganismen, deren Gesamtheit wird als Mikrobiom bezeichnet. Diese unvorstellbar vielfältige und sehr komplexe Schar erledigt für uns zahlreiche Aufgaben. Unsere Darmflora spielt eine bedeutende Rolle bei Verdauung und Stoffwechsel, aber auch bei der Immunabwehr, und sogar das Hormonsystem wird beeinflusst. Man kann sich das Mikrobiom als eigenen Mikrokosmos vorstellen. Sogar an der Entstehung von Entzündungsprozessen ist die Darmflora beteiligt. Zudem besteht ein enger Kontakt mit weiteren Organen wie Leber und Gehirn.
Die Zusammensetzung der Mikroorganismen ist bei jedem Menschen einzigartig. Wichtig ist, dass sich die Zusammensetzung der Bakterien (Diversität) im Gleichgewicht befindet. Die Vielzahl der Aufgaben kann nur von einem gesunden und stabilen Mikrobiom bewältigt werden. Überwiegen krankmachende und schädliche Keime, spricht man von einer Dysbiose.
Dysbiose bedeutender Faktor bei Krankheitsentstehung
Eine solche Dysbiose entsteht allerdings selten grundlos. Bieten wir guten Bakterien kein optimales Lebensumfeld, nimmt ihre Anzahl ab, die Zahl der schädlichen Keime überwiegt schließlich. Mit unserem Lebensstil können wir dieses Gleichgewicht enorm beeinflussen: Ernährung, Bewegung, Medikamenteneinnahme und Umwelteinflüsse wirken sich auf unser persönliches Mikrobiom aus. Viele Studien haben inzwischen gezeigt, dass ein unausgewogenes Darmmikrobiom eine wichtige Rolle bei chronischer Krankheiten spielt, darunter chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.
2017 fand man an der Universität Lund im Rahmen einer Studie heraus, dass eine dysbiotische Darmflora den Verlauf von Alzheimer beschleunigt. Eine darmfreundliche Ernährung mit viel Vollkorn, Obst und Gemüse kann also dabei helfen, Alzheimer zu verhindern.
Positive Folgen von Ernährungsumstellung schon nach 24 Stunden sichtbar
Es ist unbestritten, dass die Ernährung die Beschaffenheit und Vielfalt des Mikrobioms gestaltet, und dies auch ausnehmend rasch. Eine Ernährungsumstellung – zum Beispiel von einer Kost reich an tierischen Produkten auf eine überwiegend pflanzliche Kost – verursacht eine bemerkenswerte mikrobielle Verschiebung innerhalb von 24 Stunden.
Die Zusammenhänge zwischen Darmmikrobiom, Ernährung und systemischen Entzündungen deuten darauf hin, dass eine ballaststoffreiche Ernährung die Zusammensetzung des Mikrobioms vorteilhaft modelliert. Ballaststoffe erhöhen die Anzahl nützlicher Bakterien, hemmen das Wachstum von krankmachenden Keimen und reduzieren das gefährliche Serumcholesterin im Mikrobiom. Darüber hinaus fördern sie die Produktion der wichtigen kurzkettigen Fettsäuren.
In Ländern, in denen eine ballaststoffreiche und fettarme Ernährung bevorzugt wird, erreicht die Population auch die höchste Lebenserwartung.
Das Mikrobiom im Gleichgewicht ermöglicht gesundes Altern
Mit zunehmendem Alter unterliegt das Mikrobiom starken Veränderungen. Während der ersten drei Lebensjahre entwickelt es sich und bleibt dann bis ins mittlere Erwachsenenalter relativ stabil. Der Alterungsprozess scheint jedoch generell durch die ausgewogene Balance verschiedener immunologischer Prozesse günstig beeinflusst zu werden. Das Darmmikrobiom kann entzündungshemmende Aktivitäten unterstützen oder sogar steigern, und damit die vermehrten entzündungsfördernden Aktivitäten, die bei allen älteren Erwachsenen auftreten, ausgleichen. Das Gleichgewicht des Mikrobioms ist für ein gesundes Altern entscheidend. Gesunde ältere Menschen haben bis ins hohe Alter eine stabile und vielfältig zusammengesetzte Darmflora.
Kurzkettige Fettsäuren, SCFAs, scheinen dabei zentrale Verbindungen zu sein. Sie entstehen durch bakterielle Fermentation von Ballaststoffen im Dickdarm und beeinflussen viele Vorgänge im Körper. So können sie beispielsweise Prozesse anstossen, die das Wachstum von Tumorzellen stoppen und die Apoptose, also das programmierte Absterben der schädlichen Zellen, begünstigen. SCFAs haben auch einen positiven Einfluß auf die Insulinempfindlichkeit und sind wichtig für einen reibungslosen Fettstoffwechsel.
Es wurde festgestellt, dass bei jüngeren Testpersonen mehr SCFAs zu finden sind als bei älteren Personen. Man geht davon aus, dass eine eingeschränkte Gesundheit im Alter mit den reduzierten SCFA-Levels in Verbindung steht.
Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/01/01/das-mikrobiom-und-die-darmflora
- https://translational-medicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12967-017-1175-y
- https://content.iospress.com/articles/nutrition-and-healthy-aging/nha170030
- https://www.mdpi.com/2227-9059/8/8/287/htm
- Heidenreich PA et al. Is our diet turning our gut microbiome against us? J Am Coll Cardiol 2020; 75: 773-5
Mit der richtigen Kost gesund bis ins hohe Alter: Langlebigkeit ist auch eine Ernährungsfrage
Sahnetorte, Schweineschnitzel, Burger und Co. – es gibt Mitmenschen, die sich am liebsten ausschließlich so oder ähnlich ernähren. Sie dürfen kaum darauf hoffen, gesund alt zu werden. Andererseits bietet uns die richtige Ernährung gute Chancen, uns gesund zu halten und zudem unsere Lebensspanne zu verlängern. Denn es gibt gute wissenschaftliche Hinweise darauf, dass ein gesundes Ernährungsverhalten die Chancen auf eine Langlebigkeit deutlich steigert.
Lange Zeit wurde angenommen, dass unsere Lebenserwartung vor allem durch unsere Gene bestimmt wird. Das haben Forscher widerlegt. Anhand von Modellrechnungen haben sie ermittelt, dass die Bedeutung der Gene hinsichtlich unserer Lebensspanne deutlich überschätzt wird: Der Anteil der Gene an unserer Lebenserwartung dürfte bei nur rund 10 Prozent liegen. Rund 90 Prozent der Faktoren, die unsere Lebensdauer bestimmen, entfallen somit offenbar auf unsere Lebensweise. Wichtig sind dabei eine ausreichende körperliche Aktivität sowie eine gesunde, die Langlebigkeit fördernde Ernährung.
Was das konkret bedeutet, lässt sich von Bevölkerungen lernen, die in Regionen dieser Welt mit ungewöhnlich vielen hochbetagten Menschen leben. Hierzu gehören beispielsweise Abchasien am Schwarzen Meer, das Bergdorf Vilcabamba in Ecuador sowie einzelne Gebiete auf der Mittelmeerinsel Sardinien und insbesondere Okinawa in Japan, wo die Langlebigkeit fast schon normal und die Zahl der Hochbetagten am höchsten ist.
Es gibt gewisse Gemeinsamkeiten dieser Langlebigkeits-Gesellschaften wie zum Beispiel eine regelmäßige, moderate körperliche Bewegung, eine eher auf pflanzlichen Produkten basierende, fleischarme Ernährung sowie das Festhalten an Traditionen.
Süßkartoffeln statt Schweineschnitzel
Dreh- und Angelpunkt scheint dabei die Ernährung zu sein. Wie sie aussehen sollte, um gesund alt zu werden, zeigen die Einwohner im japanischen Okinawa: Sie ernähren sich vor allem von Wurzelgemüse, insbesondere von Süßkartoffeln, grünem und gelbem Gemüse und Nahrungsmitteln auf Sojabohnenbasis. In moderaten Mengen verzehren sie Meeresfrüchte, mageres Fleisch, Früchte, Kräuter sowie Tee und Alkohol. Werden die Ernährungsprinzipien der Menschen in Okinawa beherzigt, so baut dies oxidativen Stress ab, kann wahrscheinlich altersassoziierter biologische Stoffwechselwege modulieren, das Risiko der Entwicklung chronischer altersassoziierte Erkrankungen senken und so insgesamt ein gesundes Altern und Langlebigkeit fördern.
Die Prinzipien einer solchen Ernährung finden sich im Kern auch bei der mediterranen Kost, die hierzulande als besonders gesund gilt. Denn sie scheint kardiovaskulären Erkrankungen und generell Alterskrankheiten vorzubeugen. Die mediterrane Kost basiert auf einem hohen Anteil nicht raffinierter Kohlenhydrate bei der Ernährung, einem nur moderaten Konsum von Eiweiß mit vorwiegendem Verzehr pflanzlicher Proteine sowie Fisch und magerem Fleisch. Wichtig ist ferner ein eher geringer Fettanteil der Kost, wobei ungesättigte Fettsäuren überwiegen sollten. Allerdings sollte die Kost reich sein an Omega-3-Fettsäuren. Einer solchen Ernährung werden antientzündliche Effekte zugeschrieben, sie soll den Cholesterin-Haushalt optimieren und auch günstigen Einfluss auf weitere Risikofaktoren für Alterskrankheiten haben.
Niedrige glykämische Last
Bei der betont pflanzlichen Kost resultiert zudem eine vergleichsweise geringe Kaloriendichte, sodass im Allgemeinen weniger Kalorien aufgenommen werden. Außerdem hat diese Ernährungsform einen niedrigen glykämischen Index (GI) und eine niedrige glykämische Last (GL), was allgemein als besonders gesund gilt. Denn der GI und damit auch die GL der Nahrung sind ein Maß dafür, wie ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel wirkt. Je geringer der GI, desto weniger und langsamer steigt der Blutzuckerspiegel.
Die glykämische Last hingegen gilt als Indikator für den durch die Ernährung ausgelösten Insulinbedarf. Lebensmittel mit einem hohen GI wie etwa Weißmehlprodukte, Süßigkeiten oder süße Getränke bewirken einen schnellen Blutzuckeranstieg. Es kommt parallel zum Anstieg der Insulinspiegel im Blut, wobei Insulin die Aufgabe hat, die Zuckeraufnahme in die Körperzellen sowie den Aufbau und die Ablagerung von Fett zu fördern und den Fettabbau zu erschweren – Effekte, die unserer Gesundheit nicht zuträglich sind.
Hungern statt Schlemmen
Offensichtlich können sich zudem unsere Ernährung und unsere Gene im Hinblick auf das Altern beeinflussen. Bei Alterungsprozessen scheint vor allem das Gen „Forkhead-Box-Protein O3“, kurz FOXO3, eine zentrale Rolle zu spielen. Diese ist wahrscheinlich ernährungsabhängig, wobei das Hungern für den Alterungsprozess eher günstig und das Schlemmen eher ungünstig zu sein scheint, wie Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Entzündungsforschung“ der Universität Kiel herausgefunden haben.
Erste Hinweise, dass das FOXO3-Gen sich auf das Alter auswirkt, gab es nach Angaben der Forscher bereits 1993. Damals wurde beobachtet, dass sich die Lebensspanne von Fadenwürmern verdoppelt, wenn FOXO3 aktiviert wird. In der Folge wurde dieses Gen auch beim Menschen genauer unter die Lupe genommen und es wurde deutlich, dass FOXO3 die Langlebigkeit fördern kann. Untersuchungen an Hochbetagten deuten dabei an, dass eine erhöhte Expression des FOXO3-Gens eine lange Lebensdauer begünstigt, ein Effekt, der ähnlich auch schon bei Würmern, Fliegen und Mäusen beobachtet worden war.
Der lebensverlängernde Effekt des Gens kommt aber augenscheinlich nur zum Tragen, wenn die Ernährung nicht hochkalorisch ist, wenn der betreffende Mensch also eher hungert als zu viel Nahrung verzehrt. Dies scheint durch die Evolution bedingt zu sein. Denn Untersuchungen an menschlichen Skeletten der Jungsteinzeit zeigen, dass damals die Langlebigkeitsvariante des FOXO3-Gens in der Bevölkerung häufiger vorkam als heutzutage. Das kann für die Menschen in der damaligen Zeit, die zwangsläufig oft hungern mussten, ein Überlebensvorteil gewesen sein.
Als unsere Vorfahren dann sesshaft wurden und mehr Kohlenhydrate, tierisches Eiweiß und auch Fette zu sich zu nahmen, könnten die Langlebigkeitsvarianten seltener geworden sein, so die Vermutung der Kieler Wissenschaftler.
Lässt uns Hunger länger leben?
Dass Hungern sich positiv auf ein gesundes Altern auswirken kann, lassen auch Experimente an Plattwürmern vermuten: Die Tiere haben eine ungewöhnlich hohe Regenerationsfähigkeit und können sogar einzelne Körperteile nachwachsen lassen. Sie haben außerdem besondere Überlebensstrategien in Phasen der Nahrungsknappheit. Dann schrumpfen die Tiere und wachsen erst wieder, wenn ausreichend Nahrung vorhanden ist. Reguliert wird dies über die Länge der sogenannten Telomere. Hierbei handelt es sich um eine Art Schutzkappe an den Chromosomenenden. Sie werden mit jeder Zellteilung kürzer, was als Alterungsprozess gedeutet wird. Im Hungerzustand wird der Stammzellpool, aus dem sich der Organismus regeneriert, so moduliert, dass vor allem Zellen mit langen Telomeren überwiegen. Das deutet aus Sicht der Forscher auf einen verjüngenden Einfluss von Hungerphasen auf die Zellen hin.
Langsame Kostumstellung statt Radikaldiät
Der Effekt einer gesunden Ernährung dürfte am größten sein, wenn das Prinzip lebenslang und bereits von Kindesbeinen an beherzigt wird. Studien zeigen jedoch, dass auch eine Ernährungsumstellung in der Lebensmitte noch wirksam ist. Mehr Vollkorn, Obst, Gemüse, Fisch und Nüsse heißt die Devise, die das Sterberisiko eindeutig verringern kann. Vor allem Todesfälle aufgrund von Herz- und Gefäßerkrankungen sind bei einer solchen Kost seltener zu beobachten und auch die Sterblichkeit infolge von Krebserkrankungen ist niedriger.
Das bedeutet nicht, dass hierfür eine Radikalkur notwendig ist. Es reicht Untersuchungen zufolge schon aus, täglich eine Portion Nüsse oder Hülsenfrüchte zusätzlich zu verzehren und dafür auf eine Portion Wurst oder rotes Fleisch zu verzichten. Es kommt zudem nicht auf den Verzehr oder Nicht-Verzehr eines bestimmten Lebensmittels an, sondern auf eine generelle Verbesserung des Ernährungsmusters.
Quellen:
- Willcox DC et al., Mech Ageing Dev 2014; 136-137: 148-162, doi: 10.1016/j.mad.2014.01.002
- Ruby JG et al., Genetics 2018 ;210(3): 1109-1124, doi: 10.1534/genetics.118.301613
- Willcox DC, J Am Coll Nutr 2009; 28 Suppl: 500S-516S, doi: 10.1080/07315724.2009.10718117
- https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/schlankheitsmittel-und-diaeten/glykaemischer-index-gi-und-glykaemische-last-gl-11176
- Flachsbart F et al., Nat Commun 2017; 12; 8 (1): 2063, doi: 10.1038/s41467-017-02183-y
- Iglesias M et al., Stem Cell Reports 2019; doi: https://doi.org/10.1016/j.stemcr.2019.06.005
- Sotos-Prieto M et al., New Engl Med 2017; 377: 143-153 http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1613502